Textfeld: Textfeld: Kanfers 12 Gesetze der Therapie

In: F.H. Kanfer, Reinecker, H., Schmelzer,D.:
Selbstmanagment-Therapie, 2. Auflage 1996
„Statt eines Ausblicks“ S. 553 – 555 (in Anlehnung an eine Übersetzung von R. Schneider)

 

1. Verlange niemals von Klienten, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln!

Um die Situation von Klienten zu verstehen, müssen wir zunächst versuchen, deren Perspektive einzunehmen und uns empathisch in ihre Welt einzufühlen, selbst wenn wir mit deren Sichtweise nicht einverstanden sind oder ihre Reaktion für unangemessen oder unvernünftig halten. Erst wenn wir fähig sind, deren subjektive und emotionale Lage adäquat nachzuvollziehen, kann eine Veränderung von Zielen, Motiven und Verhaltensweisen erwogen werden.

 

2. Arbeite zukunftsorientiert, suche nach konkreten Lösungen und richte die Aufmerksamkeit auf die Stärken von Klienten!

Im Alltag neigen Menschen dazu, sich auf Probleme und Misserfolge zu konzentrieren, nach Ursachen in der Vergangenheit zu suchen (z. B. „Wenn ich nur wüsste, warum ich so geworden bin…“), in vagen oder allgemeinen Begriffen zu sprechen (z. B. „Ich bin immer ganz durcheinander“) und nach verschwommenen Zielen (z. B. „Glück“) zu streben. In unserer Therapie sollten wir jedoch versuchen, die Fertigkeiten und Stärken unserer Klienten zu nutzen, um mit ihnen im Hier und Jetzt – mit Blickrichtung „Zukunft“ – konkrete Lösungen für konkrete Ziele zu entwickeln.

 

3. Spiele nicht den „lieben Gott“, indem Du Verantwortung für das Leben von Klienten übernimmst!  

Denke immer daran: Wir sind bestenfalls gut ausgebildete professionelle Helfer und erfüllen unsere Aufgabe dann optimal, wenn wir unser berufliches Wissen und Können, unsere persönlichen Stärken und Erfahrungen sowie unseren guten Willen dazu einsetzen, Klienten bei der Lösung ihrer Probleme und beim Erreichen ihrer Ziele zu assistieren.
Wir können aber weder Dinge stellvertretend für Klienten erledigen noch für deren Tun (oder Nichtstun) Verantwortung übernehmen. Selbst bei sachgemäßer bzw. optimaler Ausführung unserer professionellen Dienstleitungen gibt es für uns Grenzen der Einflussnahme bzw. Gegenkräfte in der Umgebung oder Lebensgeschichte von Klienten. Therapeutischer Erfolg oder Misserfolg hängt daher nicht nur vom Wissen, Können
oder den „begnadeten Qualitäten“ eines Therapeuten ab

 

4. Säge nicht den Ast ab, auf dem die Klienten sitzen, bevor Du ihnen geholfen hast, eine Leiter zu bauen!

Finde heraus, welche Funktionen das problematische Verhalten (die irrationale Einstellung oder emotionale Reaktion…) im gesamten Lebenskontext von Klienten hat. Erst wenn Klienten andere (bessere!) Möglichkeiten gefunden haben, um ihre Interessen zu verfolgen, oder wenn sie durch die Therapie zu der Erkenntnis kommen, dass es nicht mehr nötig ist, sich an bestimmten Zielen festzuklammern, werden sie mit uns konstruktiv zusammenarbeiten.

 

5. Klienten haben immer recht!

Unsere Klienten haben meist lange Zeit für die Entwicklung ihrer Probleme gebraucht und daher gute Gründe, sich allen schnellen Änderungsvorschlägen zu widersetzen. Versuche deshalb nicht, mit ihnen über die „Wahrheit“ ihrer subjektiven Überzeugungen und Lebenshaltungen zu streiten, die Notwendigkeit bestimmter Lebensziele anzuzweifeln, ihnen die „Unsinnigkeit“ ihrer Ängste oder Depressionen zu beweisen oder ihnen die Auffassung auszureden, dass andere Personen ihnen schlecht gesonnen seien.

Akzeptiere zunächst die Sicht der Klienten als verständlich auf der Basis ihrer bisherigen Erfahrungen; versuche im Lauf der Therapie aber deutlich zu machen, dass es sich eventuell nur um eine von mehreren möglichen Sichtweisen handelt, die teilweise unkorrekt oder wenig hilfreich für zielführende Verbesserungen sein könnte. Assistiere Klienten dabei, konstruktivere Perspektiven zu entwickeln, indem Du ihnen sokratische Fragen stellt, ihre Aufmerksamkeit auf neue Aspekte lenkst, sie behutsam mit eigenen Widersprüchlichkeiten oder Inkonsistenzen konfrontiert und zu minimalen Änderungsschritten bzw. Denk- oder Verhaltensexperimenten anregst.

 

6. Bevor Du ein problematisches Verhalten nicht plastisch vor Augen hast, weißt Du nicht, worum es eigentlich geht!

Alltagsbegriffe sind missverständlich: Eine „Blamage vor allen Leuten“ war vielleicht nur eine minimale Ungeschicklichkeit, oder das „völlige Versagen auf allen Gebieten“ bedeutet im speziellen Fall, dass ein Student nach sehr gutem Examen eine Absage auf seine allererste Stellenbewerbung erhielt.

In der Therapie ist daher notwendig, alle schwierigen Situationen in eindeutigen, konkreten, nachvollziehbaren Verhaltensbegriffen zu beschreiben, sie – wenn möglich – direkt (oder im Rollenspiel) zu beobachten, ihr konkretes Auftreten durch Selbstbeobachtung und nachfolgende Aufzeichnungen registrieren zu lassen und subjektive Klientenschilderungen durch Informationen seitens anderer Personen (soziale Umgebung!) zu validieren. Dies trifft auch auf die jeweiligen Ziele zu.

 

8. Du kannst nur mit Klienten arbeiten, die anwesend sind!

Unser erstes Ziel besteht immer darin, Klienten zur Therapie (und zum Wiederkommen) zu motivieren, sie in der Therapie zu halten und vorzeitige Abbrüche zu vermeiden. Dies ist die elementare Voraussetzung für konstruktives Arbeiten und zielorientierte Lösungen. In den Sitzungen muss zudem verhindert werden, dass Klienten über Probleme von abwesenden Personen (Partner, Kinder etc.) sprechen oder das Verhalten anderer verändern möchten, statt an ihren eigenen Anliegen zu arbeiten.

Falls bei Partnerschafts- oder Familienproblemen nicht alle beteiligten Personen in Therapie sind, können immer nur gewisse Ausschnitte oder Komponenten geändert werden. Eine Arbeit mit Teilen des Systems ist zwar möglich, häufig aber nicht ausreichend für durchgreifende Verbesserungen.

 

9. Peile kleine, machbare Fortschritte von Woche zu Woche an und hüte Dich vor utopischen Fernzielen!

Globale, generelle, weit entfernte Langzeitziele müssen in spezifische, konkrete und realisierbare Kurzzeitziele zerlegt werden, wenn sich therapeutische Verbesserungen ergeben sollen. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: Auch eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Somit kommt es darauf an, dass Klienten zunächst überhaupt einmal kleine Schritte in Richtung ihrer Ziele unternehmen, und dass sie sich dann von Woche zu Woche ein kleines Stück weiter auf den Weg machen.

Dinge ändern sich jedoch mit der Zeit, und Probleme/Ziele fluktuieren im Verlauf der Therapie. Therapeutische Schwerpunkte lassen sich daher nicht auf Dauer festlegen, sondern müssen von Termin zu Termin überprüft, modifiziert, revidiert und neu vereinbart werden.

 

10. Bedenke, dass die Informationsverarbeitungskapazität von Menschen begrenzt ist!

Gib Klienten nicht mehr Informationen als sie verarbeiten können. Beschränke Dich auf kurze Fragen und Bemerkungen (von jeweils ca. 10 bis 15 Sekunden Dauer), behandle nicht mehrere Punkte auf einmal, wiederhole wichtige Aspekte eventuell zu verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Blickwinkeln und passe Deine Sprache den Klienten an. Sei lieber redundant als die Aufnahmefähigkeit von Klienten zu überfordern.

 

11. Wenn Du in der Therapiestunde härter arbeitest als Deine Klienten, machst Du etwas falsch!

Unsere Therapiestunden dienen dazu, die Klienten zu aktivieren. Nicht Du, sondern die Klienten haben die Probleme. Folglich müssen sich diese (und nicht Du) aktiv mit Bewältigungsschritten beschäftigen. Es ist zwar verständlich, wenn sie von Dir eine schnelle und umfassende Hilfe erwarten. Du sollst sie auch anregen, sich in und zwischen den Sitzungen mit konkreten Änderungsschritten zu befassen. Du darfst aber nicht zulassen, dass Klienten Dir ihre Probleme aufbürden oder passiv bleiben, während sie Dich an Lösungen arbeiten lassen (und Dir dann die Schuld für Misserfolg in die Schuhe schieben).

 

12. Spare nicht mit Anerkennung für die Fortschritte von Klienten!

 Der Erfolg ist die Mutter des Erfolgs! Klienten brauchen mehr positive Bestätigung als ihr Therapeut, denn schließlich soll vor allem deren Selbstwertgefühl durch die Therapie gestärkt werden. Achte dabei auf minimale Verbesserungen und lobe besonders jede kleine Eigeninitiative! Bringe Klienten auch bei, eigene Stärken zu erkennen und zu würdigen sowie sich für ihre Fortschritte selbst zu verstärken.

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